Haftgrund der „Wiederholungsgefahr“ Untersuchungshaft zulässig?
In einer Entscheidung hat das saarländische OLG gezeigt, dass unterschiedliche Gerichte die Voraussetzungen von Untersuchungshaft durchaus unterschiedlich beurteilen können (Saarländisches OLG Saarbrücken, 16.10.2018, 1 Ws 206/18).
In der Entscheidung wurden zunächst die verschiedenen möglichen Haftgründe thematisiert. Zum möglichen Haftgrund der Verdunklungsgefahr (= Beweismittel verschwinden lassen) führte das Gericht aus, dass hier jeder Anhaltspunkt fehlte.
Zur Fluchtgefahr nannte das Gericht als Voraussetzung der Fluchtgefahr, dass die Wahrscheinlichkeit einer Flucht des Beschuldigten höher sei als die Möglichkeit, dass er sich dem Strafverfahren stellen wird.
Dies wurde erstaunlicherweise vom saarländischen Gericht abgelehnt: Zwar sei der Beschuldigte mehrfach einschlägig vorbestraft, so dass mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen sei, die auch nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden könne.
Diese Straferwartung reiche jedoch allein nicht aus.
Auch reiche nicht aus, dass der Beschuldigte Drogenkonsument sei und keiner geregelten Arbeit nachgehe.
Schließlich reiche die Tatsache, dass er sich vom Ort der vorläufigen Festnahme entfernen wollte, ebenfalls nicht für eine Fluchtgefahr aus. Begründet wurde dies damit, dass der Beschuldigte nicht etwa weggelaufen sei, sondern mitgeteilt habe, dass er jetzt gehe.
Schließlich sei sein unruhiges Verhalten kein Anzeichen für eine bevorstehende Flucht, sondern Ausdruck seiner Drogenabhängigkeit.
Schlussendlich sei auch die Wiederholungsgefahr nicht gegeben. Voraussetzung der Wiederholungsgefahr sei, dass der Beschuldigte dringend verdächtigt sei, wiederholt oder fortgesetzt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat aus dem in §112a StPO genannten Katalog begangen zu haben und dass weiterhin bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass er weiterhin erhebliche Straftaten gleicher Art begehen werde.
Das Gericht teilte dazu mit, dass zwar der dringende Tatverdacht einer Straftat aus dem Katalog bestehe, allerdings handele es sich bei der Anlasstat, wegen der ermittelt wurde, nicht um eine „die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat“. Die sogenannte Anlasstat war ein gewerbsmäßig begangener Diebstahl.
Das Gericht führt weiterhin aus zum Schweregrad der Anlasstat, zur Frage der sogenannten mittelschweren Straftat usw. Das in Rede stehende Delikt weise keinen überdurchschnittlichen Schweregrad auf, sondern sei lediglich der mittleren Kriminalität zuzuordnen.
Das Gericht schließt mit einer Gesamtbetrachtung, wonach eine Straftat, die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigt, nicht gegeben war, weshalb eine Wiederholungsgefahr als Haftgrund zu verneinen sei.
Die Entscheidung stellt diverse Überlegungen, welche Gerichte zu den verschiedenen Haftgründen regelmäßig anstellen, sehr anschaulich dar.
Gleichzeitig macht die Entscheidung aber auch sehr gut deutlich, wie unterschiedlich die Rechtsprechung zwischen Würzburg und Saarbrücken ist: Ein bayerisches Gericht hätte in nahezu sämtlichen oben genannten Punkten anders entschieden. Eine Fluchtgefahr wäre kategorisch bejaht worden, wenn der Beschuldigte einschlägig vorbestraft und drogensüchtig ist. Bereits diese beiden Aspekte hätten für eine Fluchtgefahr ausgereicht.
Auch die Tatsache, dass der Beschuldigte sich vom Ort der Festnahme entfernt hat, wäre nicht, wie im Saarland, ausgelegt worden, sondern als eindeutiger Beweis für eine bestehende Fluchtgefahr gesehen worden.
Auch die Wiederholungsgefahr wäre bejaht worden. Bayerische Gerichte lassen teilweise bereits kleinste Delikte ausreichen, um eine Wiederholungsgefahr zu bejahen. Umfangreiche Erörterungen zum Schweregrad einer Tat werden in aller Regel nicht geführt, sondern der erforderliche Schweregrad wird sehr schnell bejaht. Der eigentliche Grundsatz, wonach U-Haft in erheblicher Weise in Freiheitsgrundrechte eingreift und daher besonderer Voraussetzungen bedarf und eine Ausnahme sein soll, lässt sich teilweise in Entscheidungen aus Würzburg oder Nürnberg nicht erkennen.
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