Wann droht ein Bewährungswiderruf?

Wenn jemand zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wird, droht während der Bewährungszeit immer der Widerruf der Bewährung. Falls es dazu kommt, ist die ursprünglich ausgeurteilte Strafe komplett abzusitzen. Das ist freilich keine schöne Aussicht.

Wie kann es zum Bewährungswiderruf kommen?

Ein Bewährungswiderruf droht besonders dann, wenn der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit erneut eine Straftat begeht. In einem solchen Fall muss der Strafverteidiger sein Handwerk beherrschen, um einen Bewährungswiderruf zu vermeiden.

Nach unserer Erfahrung kommt es gerade in den letzten Jahren immer häufiger zu einem Bewährungswiderruf, wenn der Verurteilte gegen Weisungen verstößt. Bestes Beispiel sind ausbleibende Urinkontrollen.

Falls jemand wegen Betäubungsmitteln verurteilt worden ist, wird im Bewährungsbeschluss häufig eine Weisung erteilt, wonach die Abstinenz des Verurteilten nachgewiesen werden soll. Typischerweise sind dies die Urinkontrollen – der Verurteilte muss ohne vorherige Ankündigung Urinproben abgeben.

Falls der Verurteilte sich daran nicht hält, droht der Widerruf der Bewährung. An vielen bayerischen Gerichten wird dieser Widerruf fast automatisch vollzogen, so auch in Würzburg.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass allein ein beharrlicher oder gröblicher Verstoß des Verurteilten gegen die Weisung, Urinproben abzugeben, nicht ohne weiteres für einen Bewährungswiderruf ausreicht (BVerfG, 28.03.2019, 2 BvR 252/19). Auf gut deutsch: Nur weil jemand die Urinprobe nicht abgibt, kann noch nicht die Bewährung widerrufen werden. Begründet wird dies damit, dass nach der gesetzlichen Vorschrift (§ 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB) die Bewährung nicht allein widerrufen werden kann, weil der Verurteilte gegen die Weisung gröblich oder beharrlich verstößt. Vielmehr ist Voraussetzung, dass sich durch die verpasste Urinkontrolle die Vermutung aufdrängt, der Verurteilte werde erneut Straftaten begehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung mit dem Freiheitsgrundrecht argumentiert, welches bei der Abwägung über den Widerruf der Bewährung zu berücksichtigen ist.

In dem genannten Urteil ging es um einen Verurteilten, der beruflich als selbständiger Monteur in Süddeutschland tätig war. Der Monteur hatte argumentiert, er könne die Urinkontrollen oft nicht wahrnehmen, weil er seine Arbeitstermine erst sehr kurzfristig erhalte. Er hätte ja zudem die Termine nicht ohne Rückmeldung verstreichen lassen, sondern Bescheid gegeben. Schließlich stünden ja weniger drastische Maßnahmen zur Verfügung, beispielsweise die Verlängerung der Bewährungszeit.

Das Bundesverfassungsgericht gab ihm recht: Allein aus der Nichtabgabe der Urinprobe ergebe sich nicht, dass er erneut Straftaten begehe. Vielmehr gebe es gute Gründe, warum er die Urinkontrollen nicht habe wahrnehmen können.

Das Bundesverfassungsgericht hat weiterhin auf einen wichtigen Grundsatz hingewiesen: Der Bewährungswiderruf sei keine Strafe für den Verstoß gegen die Weisung. Vielmehr müsse sich aus den gesamten Umständen ergeben, dass der Verstoß gegen die Weisung (Urinkontrolle) eine kriminelle Neigung des Verurteilten verdeutliche, so dass sich daraus die Gefahr weiterer Straftaten schließen lasse.

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich zwei Erkenntnisse:

Zum einen gelten die Urteile aus Karlsruhe auch für die Würzburger und Nürnberger Gerichte. Zum anderen zeigt die Entscheidung sehr schön, dass nach einem Urteil das Strafverfahren noch lange nicht beendet ist, insbesondere im Falle einer Bewährung. Vielmehr können auch im Vollstreckungsbereich Fragen und Probleme auftreten, die oftmals angesichts des immer komplizierter werden Rechts ohne Anwalt nicht zu bewältigen sind.